Jahresrückblick 2016
Reliquien heiliger Jungfrauen am Ursulaplatz
Am Ursulaplatz befand sich bis zum Jahr 1802 das Kanonissenstift St. Ursula, eine der bedeutendsten geistlichen Institute des mittelalterlichen Köln. Die Legende besagt, dass hier eine britische Prinzessin namens Ursula mit 11.000 Jungfrauen bestattet seien, die vor den Kölner Stadttoren von Barbaren niedergemetzelt wurden.
Da das Ursulastift auf den Resten des römischen Nordfriedhofes steht, kamen bei mittelalterlichen Erdarbeiten immer wieder Gräber zutage, die den heiligen Jungfrauen zugerechnet wurden. Seit dem 12. Jahrhundert wurde in großem Stil nach diesen Gräbern gesucht, um an die Gebeine, die als Reliquien verehrt wurden, zu gelangen.
Im Rahmen archäologischer Ausgrabungen 2016 kamen unberührte römische Gräber zu Tage, darunter solche von zwei Kindern, deren Skelette starke krankhafte Veränderungen — wie Rachitis, Syphilis oder sogar Lepra — aufwiesen. Den Toten, die zwischen 1 und 1½ Jahre alt wurden, hatte man reiche Beigaben aus Keramik, Bronze, Silber, Gagat und Elfenbein ins Grab gelegt. Mehrere weitere Gräber waren bereits im Mittelalter freigelegt worden. Alle Knochen und Beigaben waren entfernt worden, übrig blieben lediglich die geleerten Grabgruben. Offenbar wurde hier gezielt nach Reliquien gesucht und professionell Grab für Grab freigelegt. Nachdem die Sucher ein Grab lokalisiert hatten, gingen sie schrittweise in der Grabgrube tiefer und legten das Skelett vollständig frei. Kein hastiges Wühlen ist erkennbar. Man orientierte sich an den Verfärbungen, die sich deutlich im gewachsenen Lehm abzeichneten. Offenbar wussten die Ausgräber nach anfänglichen Schürfen genau, wo sie zu graben hatten.
Der römische Friedhof, der im Mittelalter den Namen ager Ursulanus – Ursula-Acker – trug, war eine schier endlose Ressource heiliger Gebeine und die fromme Suche glitt zum Teil in kaum zu kontrollierende illegale Jagd ab. Erzbischof Philipps von Heinsberg (1167-1191) musste schließlich eingreifen und die ungenehmigte Ausfuhr von Reliquien untersagen.
Ein spätmittelalterliches Backhaus unweit des Perlengrabens
Das Römisch-Germanische Museum führte 2016 eine viermonatige Rettungsgrabung auf dem Baugrundstück Mengelbergstraße 2 / Ecke Tel-Aviv-Straße durch (Abb. 1).
Die südwestliche Grundstücksgrenze bildet der Perlengraben, der auf den Befestigungsgraben der zweiten Stadterweiterung von 1106 zurückgeht. Eine römische Bebauung, die aus einer NW-SO ausgerichteten, rechtwinkligen Raumabfolge bestand, konnte allein im östlichen Baufeld untersucht werden.
Unter den spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Befunden ist besonders ein Backhaus herauszustellen, das aus zwei Öfen und einem Vorraum mit wohl tiefer gelegener Arbeitsebene bestand (Abb. 2). Anhand der stratifizierten Keramik, Steinzeug und Irdenware, sowie der verbauten Ziegelsteine ist das Backhaus in das 14. Jahrhundert zu datieren. In den zeitgenössischen Quellen wird ein Backhaus als domus panaria, panificum, pistorea oder pistrinum bezeichnet. Es gehörte nahezu zu jedem Wohnviertel innerhalb der spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Stadt. Häufig lagen die Backhäuser hinter dem Wohnhaus des Bäckers. Ein solches ist vielleicht weiter östlich, in Richtung der ehemaligen Großen Spitzengasse zu suchen, deren Verlauf ungefähr durch die heutige Tel-Aviv-Straße aufgenommen wird.
Ausgrabungen an der Cäcilienstraße in Köln
In prominenter Lage in Nähe des Neumarktes an der Cäcilienstraße in Köln fanden 2016 Ausgrabungen auf einer Fläche von etwa 3.000 m2 statt. Das an dieser Stelle ehemals befindliche Parkhaus verfügte über tief reichende Fundamente, was große Verluste an archäologischen Schichten bedeutete. Allerdings konnten im gewachsenen Sand noch 25 römische Gruben und zwei Brunnen ausgegraben werden. Sie gehörten zur ehemaligen Wohnbebauung im Zentrum der antiken Stadt. Östlich der Ausgrabungsfläche befand sich das Forum und südöstlich, getrennt durch einen Nebendecumanus (Ost-West-Verbindung), die Großen Thermen. Die Gruben und die Brunnen waren am Ende der Oppidumszeit noch vor der Gründung der Colonia Claudia Ara Agrippinensium 50 n. Chr. in den Boden eingetieft worden. Offensichtlich entsorgte man darin Siedlungsabfälle, bevor mit Koloniegründung ein neues Kapitel in der Stadtgeschichte begann.
Aus dem Mittelalter haben sich Latrinen mit zumeist vollständigen Gefäßen aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Zu dieser Zeit sind in diesem Gebiet erstmals bebaute Grundstücke in den Schreinsbüchern erwähnt. Zudem konnten im Südwesten der Ausgrabungsfläche mittelalterliche Reste des ansonsten wenig bekannten Beginenkonvents 'Zum Hahnen' aufgedeckt werden, dessen Ersterwähnung in das 15. Jahrhundert zurückreicht. Die weitere wechselvolle Geschichte um die Cäcilienstraße ließ sich archäologisch dokumentieren: Im frühen 19. Jahrhundert war das Areal kleinteilig bebaut, bis schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts die Parzellen zu größeren Grundstücken zusammengelegt und bisherige Freiflächen in den Hinterhöfen bebaut wurden. Bevor schließlich 1967 das Parkhaus errichtet wurde, war das Gelände in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nur mit leichten Bauten bestückt und wurde vorwiegend als Parkplatz genutzt.
Köln-Innenstadt, Ursulaplatz 13-19, Luftbild von im Mittelalter geleerten Gräbern der vermuteten Heiligen Jungfrauen; Foto RGM/Hi-FlyFoto.
Abb. 1 Köln-Altstadt-Süd, Mengelbergstraße 2. Luftbild von Süden; Foto RGM/Hi-FlyFoto.
Abb. 2 Köln-Altstadt-Süd, Mengelbergstraße 2. Spätmittelalterliches Backhaus; Foto RGM (U. Karas).
Köln-Innenstadt, Cäcilienstraße. Grabungsfläche; Foto RGM.
Köln-Innenstadt, Cäcilienstraße. Römischer Brunnen; Foto RGM.